Für unser virtuelles Interview treffen wir die Gründer des Startups mo:re, Lukas Gaats und David Hackenberger, an der Technischen Universität in Hamburg an. Dort, wo sie gerade den Prototypen ihres Roboters fertigstellen, der die Forschung an menschlichen Zellen revolutionieren soll.
„Bevor wir bei Präsentationen vor Investoren unsere Produktentwicklung erklären, müssen wir meist erst einmal darauf eingehen, warum es in der medizinischen Forschung überhaupt dringenden Bedarf dafür gibt. Sprich, wie es bisher gehandhabt wurde”, erklärt Lukas. Die Ausgangslage ist diese: Durch die Kultivierung von Zellen aus einer Zelllinie werden vereinfachte Modelle von medizinischen Problemen erstellt, um diese zu erforschen und Lösungen dafür zu entwickeln. Wenn in einem Krankenhaus beispielsweise eine Patientin mit einer seltenen Brustkrebsart behandelt werden soll, kann die Behandlung an einem vorher kultivierten Zellmodell besser geplant und abgeschätzt werden. Forscher*innen und Ärzt*innen können dadurch besser absehen, welche Medikamente möglicherweise anschlagen.
Warum gibt es dringenden Verbesserungsbedarf in der Zellforschung?
Die Standard-Zellkulturen für diese Forschung werden seit circa 100 Jahren im zweidimensionalen (2D) Raum, in einer Nährstofflösung in einem Glasgefäß, angelegt. Vor etwa 20 Jahren etablierte sich die präzisere Forschungsmethode in 3D. Hierbei werden die Zellen in Hydrogelen kultiviert, einem Biomaterial. Das gelatine-artige Gel bietet den Zellen ein Gerüst, in dem sie sich naturgetreuer verhalten und wachsen können – wie Tumore im menschlichen Körper. Die Kultivierung der Zellen findet so also in einem realistischeren Umfeld statt. „Das Problem dabei ist, dass sich diese Art der Zellforschung bisher im Markt nicht etabliert hat”, erzählt Lukas. „Das liegt zum einen daran, dass die Forschung mit 3D-Modellen teurer und zum anderen komplizierter ist. Das bedeutet aber auch, dass die Fehlerquote bei der Anwendung höher ist.” An diesem Punkt setzt mo:re an. Die Gründer*innen möchten die 3D-Kultur mit Hydrogelen reproduzierbar machen und die verschiedenen Arbeitsschritte in einem Roboter bündeln, sodass diese automatisiert ablaufen. Aus den Begriffen Modular und Reproduzierbar setzt sich daher auch ihr Firmenname zusammen.
Von Australien in die ganze Welt
Seinen Ursprung hatte das Vorhaben in Australien. Dort arbeitete Lukas während seines Forschungsjahres an der Universität in Brisbane unter dem Mentorship von Prof. Dietmar W. Hutmacher, einem renommierten Experten auf dem Gebiet, an den ersten Schritten. Schnell wurde klar: Das damals noch reine Forschungsthema hatte großes Potenzial die reale Arbeit in Laboren weltweit auf ein neues Level zu heben und sollte unbedingt in die Praxis umgesetzt werden. Denn mit dem von mo:re entwickelten Roboter sollen Forscher*innen später nur noch ihre individuellen Untersuchungsdaten in den Computer eingeben müssen – der Roboter erledigt den Rest. „Unser Ziel ist es, dass in jedem Labor später ein solches Mikrolabor steht, um 3D-Forschung betreiben zu können. Alles was Forscher*innen noch mitbringen müssen, sind die Rohstoffe. Der Roboter erstellt dann das Modell, testet und analysiert”, erklärt David. „Unsere Zielgruppe sind zunächst einmal akademische Labore”, ergänzt Lukas. Das Mikrolabor, also der Roboter, hat dabei etwa die Größe eines Backofens. Besonders ist dabei die Softwareumgebung: Herstellungsprozesse können im Nachgang in einer Datenbank veröffentlicht werden, sodass eine kollaborierende Forschung stattfinden kann und Akademiker*innen von den Ergebnissen der anderen lernen und profitieren können.
„Jede*r bringt seine Kernkompetenz ein”
So wie die Kolleg*innen von mo:re untereinander. Kennengelernt haben sich Lukas und David während ihres MBAs (Master of Business Administration) an der Technischen Universität Hamburg. In Harburg stieß wenig später auch Softwareentwickler Niklas Gollenstede hinzu. Die Vierte im Bunde, Negar Shahmoradi, lernten die Gründer während eines Startup-Bootcamps in München kennen. Jedes Teammitglied bringt einen Themenschwerpunkt mit ein – von Mediziningenieurwesen über Maschinenbau und Softwareengineering bis hin zu Materialwissenschaften.
Den HIP kontaktierten die Jungunternehmer*innen vor etwa eineinhalb Jahren, seit August 2021 sind sie Teil der HIP-Gemeinschaft. „Was für uns wahnsinnig hilfreich ist, ist die Vermittlung von Kontakten und die Unterstützung bei diversen Funding-Möglichkeiten”, erzählt Lukas. Auch der Austausch mit Gleichgesinnten, sei es über den Gründer*innen-Alltag, gegenseitige Erfahrungen mit Finanzierungsmöglichkeiten oder Pitches, bereichern das Arbeiten, das sonst meist recht isoliert in den Räumen der Uni in Harburg vonstattengeht. Und: „Philips hat uns neulich Spezialwerkzeug bereitgestellt, sodass wir ein bestimmtes Teil für unseren Roboter fertigen konnten”, berichtet David.
In Zukunft: mo:re, please!
Neben der Fertigstellung des Prototypen arbeiten die Unternehmer*innen derzeit an der Gründung ihrer Firma. Und daran, das Thema in das Bewusstsein der Forschungsgemeinde zu rücken. Die finanzielle Absicherung ist ihnen dabei bereits auch schon sicher – ab Juli beginnt das nächste, rund einjährige Förderprogramm. Wir wünschen den Gründer*innen viel Erfolg auf ihrem Weg und freuen uns schon darauf, mehr von mo:re zu hören!